Fatigue bei Lupus
Ausgelaugt. Erschöpft. Entkräftet. Es gibt so viele Möglichkeiten, um zu sagen, dass man müde ist. Was beim systemischen Lupus erythematodes mit dem Begriff „Fatigue“ beschrieben wird, geht jedoch weit darüber hinaus. Fatigue ist definiert als eine ungewöhnliche, abnormale oder extreme Ganzkörpermüdigkeit, die nicht mit Bewegung oder Aktivität zusammenhängt. Es ist ein Gefühl der völligen Erschöpfung ohne große körperliche Anstrengung, bei dem auch Schlaf nicht wirklich hilft. Davon berichten 80-90 % der Lupus-Betroffenen. Für Menschen, die mit Lupus leben, ist Fatigue oft eines der ersten und das am stärksten einschränkende Symptom. Es gibt jedoch Wege, ihr entgegenzutreten.
Das Wort „Fatigue“ kommt aus dem Französischen und bedeutet Müdigkeit, Ermüdung, Erschöpfung.
Was dieses Lupus-Symptom ausmacht
Die Deutsche Fatigue-Gesellschaft definiert Fatigue als einen körperlichen, geistigen und seelischen Erschöpfungszustand, der die Bewältigung des Alltags erschwert und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt. Im Gegensatz zu Müdigkeit, die alltäglich auch von Gesunden berichtet wird, erleben Patient*innen mit Fatigue keine Erholung durch vorangegangene Ruhe- oder Schlafphasen.
Die Fatigue gehört zu den unspezifischen Symptomen des Lupus, d.h. sie ist nicht typisch für einen Lupus und es gibt sie auch bei vielen anderen Krankheitsbildern, zum Beispiel Tumorerkrankungen und anderen Autoimmunerkrankungen. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität der Patient*innen zum Teil erheblich. Die Betroffenen beschreiben die Fatigue als unvorhersehbar, dominierend, lähmend und unüberwindbar. Sie schränkt häufig die alltäglichen Aktivitäten stark ein und zwingt die Patient*innen, ihre Hobbys (z. B. Sport), ihr soziales Leben oder die Arbeit zu vernachlässigen oder sogar aufzugeben. Das ganze Leben kann schwer planbar werden, weil man nie weiß, ob man genug Kraft hat. Die Betroffenen fühlen sich hilflos, machtlos und manchmal wütend und schuldig. Oft bestehen gleichzeitig Schlafstörungen, und viele Patient*innen mit Fatigue berichten auch von Depressionen. Fatigue ist ein Symptom, das andere Menschen, z. B. Verwandte, nicht sehen und deshalb oft nicht glauben oder verstehen können.
Was Betroffene über ihre Fatigue sagen
An Lupus erkrankte Menschen erleben die Fatigue als Einschränkung auf gleich drei unterschiedlichen Ebenen, hier veranschaulicht mit Äußerungen von Betroffenen:
Wiebke – über die Macht der Fatigue, Energie und die Nähe zu sich selbst
NP-DE-LPU-VID-220006, Sep22
Für die Betroffenen ist eine Anerkennung ihrer Fatigue-Symptome enorm wichtig. Dies ist auch wesentlich für die gemeinsam zu treffenden Entscheidungen von Ärzt*in und Patient*in bei der Behandlung.
Wissenschaftliche Studien über Fatigue
Was wissenschaftliche Studien über Fatigue bei Lupus-Betroffenen sagen, haben wir hier für dich zusammengefasst.
Was zur Entstehung von Fatigue beitragen kann
Weshalb Fatigue als Symptom des systemischen Lupus erythematodes auftritt, konnte bislang nicht vollständig entschlüsselt werden. Bekannt ist, dass unterschiedliche Faktoren dazu beitragen können. Dies geschieht in einem komplexen Zusammenspiel von Lupus-Besonderheiten, psychologischen Faktoren im sozialen Miteinander und patientenindividuellen Aspekten, wie z. B. Begleiterkrankungen. Das Schaubild zeigt einige Zusammenhänge auf, die direkt oder indirekt auf das Entstehen einer Fatigue einwirken und den Effekt verstärken:
Faktoren, die die Entstehung von Fatigue beeinflussen können
Fatigue ist auch für Ärzt*innen herausfordernd
Wenn wir uns die Vielzahl von Faktoren ansehen, die in unterschiedlichen Wechselwirkungen eine Fatigue entstehen lassen oder begünstigen, dann erkennen wir, dass der Umgang mit Fatigue viele Ärzt*innen vor eine Herausforderung stellen kann. Nicht jede*r ist Fatigue-Expert*in, aber jede*r muss sie (mit)behandeln. Dabei erfolgt jede Behandlung von Fatigue höchst individuell. Wichtig ist obendrein, dass Ärzt*innen und Patient*innen gemeinsam jeden Aspekt der Fatigue gesondert betrachten und so weit wie möglich behandeln. Die Behandlung auch der Fatigue muss immer abgestimmt zwischen Patient*in und Ärzt*in erfolgen.
Wechsel der Perspektive wichtig für Zusammenarbeit Patient*in und Ärzt*in
Eine australische Studie hat untersucht, welche gesundheitsbezogenen Ängste SLE-Patient*innen und deren behandelnde Ärzt*innen in erster Linie bewegen. Die vier größten Sorgen aus Sicht der Lupus-Betroffenen waren:
- Einschränkung der Lebensqualität aufgrund von Schmerzen oder Fatigue
- Einschränkung der Teilhabe aufgrund von Schmerzen oder Fatigue
- Erschöpfung beim Erwachen
- Fatigue
Aus ärztlicher Perspektive waren jedoch die Auswirkungen auf die Organe das Allerwichtigste, die sich auf den Krankheitszustand auf lange Sicht und auf die Sterblichkeit auswirken. Nur maximal die Hälfte der Ärzt*innen sprachen ihre SLE-Patient*innen routinemäßig auf die Einschränkung der Lebensqualität und Teilhabe oder auf Fatigue an. Nur jede*r Zehnte fragte nach dem Thema Erschöpfung beim Erwachen. Was das für deinen Umgang mit deiner Ärztin/deinem Arzt bedeutet: Sprich von dir aus aktiv alles an. Nur wenn deine Ärztin/dein Arzt weiß, unter welchen Beschwerden du leidest und wie stark dein Lupus dich im Alltag einschränkt, kann sie/er das in eure gemeinsamen Therapieentscheidungen einbeziehen. Mehr zum Thema Arztgespräche kannst du hier lesen.
Checkliste: Wie du dein Arztgespräch zu Fatigue optimal vorbereitest
Bereite dich mit einer Checkliste in Ruhe auf das Gespräch mit deiner Ärztin/deinem Arzt vor. So vergisst du nichts und es geht auch kein Aspekt im Laufe der Unterhaltung verloren.
Du findest die Checkliste zum Ausdrucken als PDF-Download hier.
Wichtig: Deine Ärztin oder dein Arzt muss andere Ursachen für deinen Erschöpfungszustand ausschließen. Daher sind die Informationen aus deiner Checkliste so wichtig und werden um weitere Untersuchungen, z. B. von Laborwerten, ergänzt.
Wie Ärzt*innen bei Diagnose und Überwachung einer Fatigue vorgehen
Nicht jede Fatigue-Symptomatik bei einem Menschen mit Lupus hat auch mit dem Lupus zu tun. Es ist einfach und naheliegend, immer alles auf den Lupus zu schieben, aber es gibt so viele unterschiedliche Ursachen für eine Fatigue, dass man viele davon auch erstmal ausschließen muss. Liegt zum Beispiel eine Blutarmut anderer Ursache, ein Eisenmangel, eine Infektion, eine Krebs-, hormonelle oder Stoffwechsel-Erkrankung vor? All das muss ausgeschlossen werden und auch viele Medikamente können eine Fatigue verstärken. Erst dann kann die Ärztin/der Arzt die richtige Diagnose stellen und dann auch bestmöglich behandeln.
Da es sich bei Fatigue um ein sehr subjektives Symptom des Lupus handelt, ist es wichtig, ein standardisiertes Verfahren zur Erhebung der Anzeichen heranzuziehen, um die Fatigue bestmöglich zu „messen“. Das kann auch die Verlaufs-Beobachtung erleichtern. Es gibt dafür verschiedene Fragebögen. Einer von ihnen ist der sogenannte FACIT-Fatigue-Fragebogen.
Den FACIT-Fatigue-Fragebogen findest du im Download-Bereich hier als PDF. Der Fragebogen kann von dir, als Patient*in, selbst (Instruktionen im Fragebogen enthalten) oder in Form eines Interviews durch geschulte Behandler*innen ausgefüllt werden. Der Grad der Erschöpfung wird mit Hilfe von 13 Fragen zu körperlicher und mentaler Fatigue sowie deren Einfluss auf die körperliche Funktion und das tägliche Leben ermittelt, die in fünf Stufen von „überhaupt nicht“ bis „sehr“ beantwortet und bewertet werden.
Was gegen Fatigue getan werden kann
Neben der Beruhigung der Lupus-Aktivität ist die Behandlung der Fatigue und anderer Patient*innen-relevanter Symptome eine der wichtigsten Maßnahmen beim Lupus – da sind sich alle fachlichen Leitlinien und Empfehlungen einig. Einfach zu sagen „da kann man nichts machen“ ist weder zeitgemäß noch wahr. Die Behandlung einer Fatigue umfasst immer mehrere Bereiche und wird individuell auf die jeweilige Patientin/den jeweiligen Patienten zugeschnitten, auch in Abhängigkeit von den Symptomen und dem Muster der Fatigue. Es gibt kein spezifisches Medikament gegen die Fatigue. Manche Patient*innen bemerken jedoch eine Besserung der Müdigkeit und Erschöpfung schon unter der Basistherapie mit Hydroxychloroquin oder bei einer beruhigten Lupus-Aktivität. Die ärztlichen Maßnahmen müssen dabei durch die Eigeninitiative der Betroffenen unterstützt werden, um bestmögliche Erfolge zu erzielen.
Wiebke – über die Schritte aus der Fatigue, Balance und neues Selbstvertrauen
NP-DE-LPU-VID-220011, Sep22
Optionen zur Behandlung von Fatigue
Folgende Bausteine stehen Patient*innen und Ärzt*innen zur Verfügung, um die Fatigue-Symptome positiv zu beeinflussen:
Nochmal ein Wort zur Bewegung
Bewegung ist ein sehr wichtiger Ansatz, um eine Fatigue zu mildern – und du hast es selbst in der Hand. Sei körperlich aktiv, gegen Fatigue, Muskelabbau und Konditionsverlust. Bereits verstärkte Bewegung im Alltag, also an jedem Tag, ist sinnvoll. Die Treppe nehmen statt Aufzug oder Rolltreppe. Eine Haltestelle (oder zwei) früher aussteigen und zu Fuß zu deinem Ziel gehen. Das Auto stehen lassen und kurze Strecken mit dem Rad fahren (oder zügig zu Fuß gehen). Je mehr frische Luft du dabei atmest, umso besser. Und denke dabei bitte auch immer an deinen Sonnenschutz.
Falls du nicht weißt, wie du Bewegung und Sport in deinen Alltag integrierst, oder ein paar Tipps zu Übungen brauchen kannst: Die Broschüre „Sport und Bewegung“ kannst du dir hier herunterladen und das Video von PD Dr. Philipp Sewerin „Lupus & Fatigue – mit Bewegung aus dem Tief“ vom 2. Lupustag für Patient*innen hier anschauen.
Wenn du diese Erschöpfung spürst
Ungeachtet anderer Symptome ist ein zentrales Therapieziel beim Lupus, Fatigue in den Griff zu bekommen und ein unbeschwerteres Leben zu ermöglichen. Sprich bei kleinsten Anzeichen mit deiner Ärztin/deinem Arzt ganz konkret über Fatigue.
NP-DE-LPU-WCNT-210014, Okt22
Die LupusCheck-Expert*innen
Dr. med. Johanna Mucke
Oberärztin,
Universitätsklinikum Düsseldorf
PD Dr. med. Johannes Knitza
Oberarzt,
Universitätsklinikum Gießen & Marburg
Dr. Carolin Tillmann
Institut für Erziehungswissenschaft
Arbeitsbereich Sozial- und
Rehabilitationspädagogik,
Philipps-Universität Marburg
PD Dr. med. Martin Krusche
Oberarzt,
Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf
Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke
Leiterin des Schwerpunkts Nephrologie
und Nierentransplantation,
Johannes Gutenberg-Universität Mainz